Der Schatten der Schweiz

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Zusammenfassung aus Vorträgen von OM C. Parkin 2006

„Ein Land, in dem selbst der Schmutz sauber ist.“

Bearbeitung: Anama Frühling. 2006

Wer an die Schweiz denkt, denkt nicht nur an landschaftliche Schönheit, hohe schneebedeckte Berge, blaue Seen, er denkt auch an schmucke, saubere Dörfer und Städte, an aufrechte, naturverbundene und moralisch integre Menschen; er denkt an Demokratie, an Friedfertigkeit und Neutralität, an Wertarbeit und Wohlstand. Er denkt sicherlich auch an große Summen von Geld, die in diskreten und vertrauenswürdigen Banken lagern. Weiße Gipfel – weiße Westen: Abgründe scheint es dort nur in der Landschaft zu geben. Die Schweizer haben oft versucht, sich nicht mit Kriegen die Hände schmutzig zu machen, so wie ihre Nachbarn. Das alles klingt nach Klischee und wer genauer hinsieht, dem entgehen nicht die versteckten Schmutzflecken auf den weißen Westen. Die Ehrenhaftigkeit hat einen Schatten, der manchmal mit schmerzhafter Schärfe zutage tritt. Dieser Text lenkt den Blick auf diesen Schatten, der freilich nicht mit dem verwechselt werden darf, was die Schweiz in ihrer Ganzheit ist.

„Vor wenigen Jahren brach ja noch eine Lawine aus dem 2.Weltkrieg über die Schweizer herein und sie standen plötzlich da als die Verbrecher mit der weißen Weste.

Ein New Yorker Anwalt hatte eine schweizerische Mitarbeiterin, eine Zeitzeugin, eine Jüdin. Diese Frau machte nebenbei immer wieder Anmerkungen, daß Menschen aus ihrer Familie, die im KZ umgekommen waren, große Vermögen bei schweizerischen Banken angelegt, in Sicherheit gebracht und das Geld nie wieder gesehen hatten. Der Anwalt war erst sehr ungläubig, skeptisch und konnte gar nicht glauben, daß das wahr sein sollte. Aber er hat sich der Sache dann angenommen, hat Öffentlichkeitsarbeit gemacht und hat immer mehr Menschen gesammelt, denen das gleiche passiert ist, die davon berichten konnten, daß Juden, die in KZs umgekommen waren, ihr ganzes Geld in der Schweiz angelegt hatten und niemand sich je wieder bei den Verwandten gemeldet oder auch nur die geringste Anstrengung gemacht hatte, Verwandte zu finden und das Geld zurückzugeben. Es brach eine Lawine los und es zeigte sich, daß da Millionen und Abermillionen von Geldern gefolterter, getöteter, vergaster Juden einfach in der Schweiz lagen und es hatte sich nie ein Schwein darum gekümmert, Verwandte zu finden und das Geld zurückzugeben. Das Ganze kam also fast 60 Jahre nach dem 2. Weltkrieg unfreiwillig heraus durch diese Geschichte mit dem New Yorker Anwalt, der eine Massenklage gegen die Schweiz in die Wege geleitet hat. Nur unter Druck und unglaublicher Peinlichkeit haben dann die Schweizer, die Geschäftsführer dieser Banken, sich bereiterklärt, selbst Anstrengungen zu unternehmen, um Gelder, wo das noch möglich war, zurückzuzahlen. Das heißt, da lagerten also, da lagern wahrscheinlich heute noch in der Schweiz Millionen über Millionen von Geldern von vergasten Juden. Und niemals hat sich irgend jemand darum gekümmert, das war gar kein Thema in der Schweiz. Neulich hörte ich einen Bericht im Radio: Es soll in der gesamten Historie der Schweiz nur einen einzigen politischen Flüchtling gegeben haben, der in einem anderen Land um politisches Asyl gebeten hat: Das war vor ungefähr 10 Jahren der Mann, der von einer großen schweizerischen Bank den Auftrag erhielt, die Unterlagen über Bankkonten getöteter Juden aus dem 2. Weltkrieg zu vernichten. Dieser Mann flüchtete mitsamt den Unterlagen in die USA. Das ist also die schweizerische „Neutralität“. Es gibt viele Geschichten aus dem 2. Weltkrieg, die zeigen, wie die schweizerischen Behörden mit den Nazis zusammengearbeitet haben, wie sie Flüchtlings-, Material- und Waffentransporte durch das Land gelassen haben und und und . . . Natürlich war es unmöglich, neutral zu bleiben zwischen Italien und Deutschland im 2. Weltkrieg.

Das ist die Geschichte von denen, die sich die Hände nicht schmutzig, die aber dennoch mit der Not der Menschen Geschäfte machen.

Und es geht heute weiter. Die Schweiz ist eines derjenigen Länder, wo hinter der Diskretion von Banktüren Gelder aller schmutzigen Geschäfte der Welt lagern. Das Schmutzige ist alles angehäuft in der Schweiz, aber nicht mehr in der Form des Schmutzigen selbst, sondern gewaschen als Geld. Geld ist scheinbar nicht schmutzig und so findet sich hier in der Schweiz diese unglaubliche Diskrepanz zwischen einem sauberen Image, einer sauberen Öffentlichkeit, einer sauberen sichtbaren Welt einerseits und dem verborgenen, „gewaschenen“ Schmutz andererseits. Aber das ist nicht mehr biologischer Schmutz, das ist nicht einmal mehr der Staub, der Schmutz der Erde, es ist geistiger Schmutz. Wenn wir den Schmutz des Geldes zurückverfolgen nach Russland, nach Bolivien, in die Länder Afrikas und an die Orte, wo „es geschah“, sind dort Menschen umgebracht worden für das Geld, ausgebeutet, vergewaltigt. Das Geld war dann der saubere Extrakt dieses Schmutzes und kam in die Schweiz. Dort lagert dieser Schmutz dann als Geld, mit einem sauberen Image bei sauberen Herren in Zweireihern und Schlips. Das ist die Schweiz. Die Folge ist, daß die Menschen im oberen Teil ihres Körpers leben, den unteren Teil, der den Schmutz repräsentiert, verlassen, nicht aus dem Bauch leben können. Deswegen können sie auch nicht in die tiefsten Abgründe hinabsteigen und das Ganze fühlen, auch nicht den Raum von Sexualität, den Raum von Existenzangst, vom wahren Fühlen dessen, was aus dem Bauch und dem Instinkt kommt. Deshalb ist die Schweiz so steril, so sauber. Und so unglaublich verklemmt.

Sie haben nur noch einen sehr begrenzten Raum in diesem Verbot, sich symbolisch und direkt die Hände schmutzig zu machen und ihr Handeln kommt aus einem schlechten Gewissen. Sie sind aus einem schlechten Gewissen heraus sehr großzügig. Die Schweiz hat eine Dagobert Duck-Mentalität, eine Gier und einen immensen Geiz, einen emotionalen Geiz in den tiefsten Tiefen des Menschseins. Wenn man nicht bereit ist, da hinunter zu steigen, geht alles Handeln und Tun aus einem schlechten Gewissen hervor. Das zeigt sich auch in diesen vielen Hilfswerken, die in der Schweiz entstehen und in die ganz viele Aktionen und auch viel Geld hineinfließt. Und um ihre Schuld nicht zu sehen, schieben die Schweizer eine immense Naivität davor, die verharmlost und aktiv ignoriert.

Für die Schweizer waren die Deutschen die “Bösen“, die man verachtet hat. Der „böse Deutsche“ zirkuliert noch heute im Schweizer Geist. Eine Erzfeindschaft, die tief in der Geschichte verwurzelt ist. Das wirkt auch heute noch unterschwellig im Kollektiv. Die Deutschen werden insgeheim, aus Prinzip und Tradition als „die Bösen“ verachtet. Es gibt gebildete Menschen, die noch heute nicht nach Deutschland reisen, weil ihr Vater – als Grenzsoldat im 2.Weltkrieg –schon gegen die Deutschen verschworen war. Die wollen mit denen einfach nichts zu tun haben.

Diese Aversion gegen Deutsche geht in der Schweiz ganz weit zurück bis ins Mittelalter, ins 13. Jahrhundert, wo sich die Eidgenossen aufgelehnt haben gegen die Habsburgisch- deutsche Herrschaft mit dem „Rütlischwur“ von 1291, der ein Schutz- und Trutz-Bündnis besiegelte und den Grundstein legte für die älteste noch heute bestehende Demokratie. Auch die Legende von Wilhelm Tell ist ein Ausdruck für diese heldenhafte Befreiung eines einfachen Hirtenvolkes aus der Knechtschaft durch die verhaßten fremden Landvögte. Und als im 16. Jh. zur Zeit von Luther die deutsche Hochsprache eingeführt wurde, haben die Eidgenossen nicht mitgemacht. Aus Prinzip, um zu zeigen: Wir sind wir und wollen mit diesen Deutschen nichts zu tun haben. Die schweizerische Mundart, das Schweizerdeutsch, ist im Grunde eine kulturell zurückgebliebene Sprache, die dem Stand des Mittelhochdeutsch entspricht, welches in Deutschland im Mittelalter gesprochen wurde. Wie andere Dialekte auch, die vom einfachen Volk gesprochen werden, z.B. das Plattdeutsch im Norden Deutschlands, oder das Bayerische, hat sie weder die Klarheit, noch die Präzision des Hochdeutschen, welches entwicklungsgeschichtlich eine Weiterentwicklung und Verfeinerung der deutschen Sprache darstellt. Aber die Schweizer widersetzen sich häufig natürlichen Weiterentwicklungen und stellen sich so immer wieder selbst ein Bein.

Es ist eine ganz alte Geschichte, diese Gegnerschaft mit den Deutschen. Und die Neutralität selber geht zurück auf den Schweizer Mystiker und Heiligen Nikolaus von der Flüe im ausgehenden 15. Jh., der die Eidgenossen – auf dem Höhepunkt ihrer kriegerischen Macht und Eroberungszüge auf der Tagsatzung von Stans im Dezember 1481 gemahnt hat: mischt Euch nicht in fremde Angelegenheiten ein, hört auf, noch mehr Krieg zu führen, auch gegen die Deutschen. So ist es mit jeder Botschaft, die von Heiligen stammt: Überhaupt wird sie von wenigen der 1. Generation verstanden, und da es dann keine lebenden Heiligen mehr gibt, die diese Botschaft forttragen können, verkommt sie dann zu dem, zu dem sie heute verkommen ist. Es gibt einen wahren Kern, ein wahres Verständnis dieser Neutralität, als eine Nichteinmischung in fremde Angelegenheiten. Demgegenüber haben die Deutschen von Neutralität gar nichts verstanden, absolut nichts. Die Deutschen wollten sich immer wieder die Welt untertan machen. Dieser ursprüngliche Anspruch an Neutralität ist sehr hoch zu bewerten und einzuschätzen. Wahre Neutralität setzt ein hohes Verständnis voraus und im normalen Fall auch die Notwendigkeit, beide Seiten der Nichtneutralität gelebt zu haben für einen Augenblick. So ist diese ursprüngliche Botschaft der Nichteinmischung verkommen zu einem inneren Niemandsland, wo weder Fisch noch Fleisch herrschen oder gegessen werden. Dies zeigt sich gerade auch in der aktuellen „Diskussion“ um die Haltung der Schweiz im gegenwärtigen Nahostkrieg, bei der die Außenministerin am Nationalfeiertag in einer öffentlichen Ansprache eine kleine Regierungskrise heraufbeschwor, die bezeichnenderweise schnell wieder versandete, resp. verharmlost wurde. Und dies, weil sie – eine Sozialdemokratin – den Mut zeigte, Israels Angriff auf den Libanon als unverhältnismäßig zu kritisieren und damit ihre Bundesratskollegen aus konservativen Parteikreisen, die es traditionsgemäß mit keiner Kriegspartei verderben wollen, vor den Kopf zu stoßen. Diese Art von schweizerischer Neutralität spiegelt nur eine große Abneigung und Angst davor, den Schmutz zu berühren, der sich überall angesammelt hat. Sie sehen es nur nicht. Neutralität ist immer mit Ignoranz verbunden. Das ist diese Ignoranz: Ich sehe es nicht, ich tue alles, damit ich es nicht merke, um mich damit nicht auseinander zu setzen und ich kann weiter Blumen pflücken. Heidi, die brave, lustige, blumenpflückende Bergmaid vor dem Hintergrund der Idylle der schweizerischen Berge. Das ist ein treffliches Symbol schweizerischer Ignoranz und Naivität. Eine Welt, in der es keinen Schmutz, geschweige denn etwas Böses gibt.

Das „Problem“ der Schweizer ist: sie haben den Krieg seit zwei Jahrhunderten, d.h. seit den Feldzügen Napoleons, nicht von Nahem gesehen. Während eines Luftangriffs auf Friedrichshafen am Bodensee im 2. Weltkrieg gab es auf der anderen Seite Schweizer, die als Gaffer extra einen Berg erklommen hatten, um mit einer Tasse heißen Kaffees und einem Stück Gebäck dem Spektakel beizuwohnen. Für sie war es offensichtlich ein Feuerwerk.

Die Schweizer haben den Krieg lange nur von der Ferne erlebt, und genauso geschieht es ihnen jetzt mit dem Schmutz der Welt, der sich bei ihnen ansammelt in Form von Geld. Den Schmutz wollen sie nur von der Ferne sehen, nachdem er sich durch mehrere Waschungsprozesse in Geld verwandelt hat, das man anfassen kann, ohne dabei sich die Hände schmutzig zu machen. Es geht hier um etwas Geistiges und wer würde behaupten wollen, auch nur ansatzweise, daß das, was die Deutschen gemacht haben, besser wäre. Wenn man genau hinguckt, gibt es kein Land, das sich die Hände nicht schmutzig gemacht hat.

Das schweizerische Kollektiv stammt aus dem Ennea-Typ Eins. Die Eins ist eine Struktur, die man gemeinsam mit der Neun als die Naivste des ganzen Enneagramms bezeichnen könnte. Und die Naivität in der Eins kommt daher, daß sie aus der eigentlich guten Absicht, ein guter Mensch zu sein, mit einem positiven Richter lebt, der sie darauf eicht, moralisch und ethisch gut zu leben und nur Gutes zu tun in der Welt. Leider geschieht das unter Ausblendung von mindestens 50 Prozent des Lebens. Und das führt sie in einen sehr naiven, sehr begrenzten Raum, der schon in früher Kindheit fixiert worden ist. Und sie lebt dann eigentlich diesen Wunsch, gut zu sein, weiter aus dem emotionalen Stadium eines 3 – 4jährigen Kindes, das in seiner kleinen Welt lebt und all das Schlechte in der Welt - in Anführungszeichen – so stellt es sich für sie dar, ausblendet. Es existiert einfach nicht, es wird nicht berührt. Das sind Auswirkungen eines stark positiv arbeitenden inneren Richters, und es ist wirklich erschütternd, was für eine unglaubliche Ausblendung selbst noch innerhalb dieses Gutseins geschieht. Bei der Eins sackt nichts in die Tiefe, so daß sie es nimmt, prüft und dann daraus spricht und handelt.

Da ist eine so starke Verschmelzung der Wirklichkeit mit diesem inneren Richter, daß sie es gar nicht auseinander halten kann. Alles, was sie sieht, und was sie glaubt, was von Gott kommt, was real ist, ist Ausdruck und Kreation ihres positiven Richters, der ein gutes Menschen- und Weltbild aufgebaut hat. Dieses Bild ist vollständig zu ihrer Welt geworden, einer naiven kindlichen Welt. Erst wenn sie beginnt, das vermeintlich Böse zu integrieren, dann findet sie Zugang zum essentiellen Gutsein ihres Wesens, welches ausnahmslos allen Menschen zueigen ist.“

Anmerkung: „Der Rütlischwur ist ein Schweizer Nationalmythos. Er besagt, daß Abgeordnete aus den drei Orten oder Waldstätten (den Urkantonen der Schweiz) auf dem Rütli, einer abgelegenen Almmatte am Vierwaldstättersee, einen Schwur leisteten, der ein Schutz- und Trutz-Bündnis besiegelte. Dieses Bündnis gilt im Volksmund als Gründung der Eidgenossenschaft. Historisch gilt aber heutzutage der Bundesbrief von 1291 als Gründungsurkunde. Seit Aegidius Tschudi (Chronicum Helveticum)werden die Anführer dieser Abgesandten (die sogenannten Drei Eidgenossen) mit Werner Stauffacher von Schwyz, Walter Fürst von Uri und Arnold von Melchtal aus Unterwalden gleichgesetzt. Andere Varianten ersetzen Fürst durch Wilhelm Tell.“( cit. aus Wikipedia, der freien Enzyklopädie.

 

ZUSAMMENFASSUNG AUS VORTRÄGEN VON OM C. PARKIN 2006
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