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Das Wesen des Bösen

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Auszug aus einem Vortrag von OM C. Parkin in Hamburg

Dieser Abend kann nicht zur Aufgabe haben, eine letztendliche Antwort auf die Frage zu geben: „Was ist das Böse?“

Beginnen wir, bevor wir einen kleinen Ausflug machen in die Geschichte des Verständnisses des Bösen in der christlich geprägten westlichen Kultur, mit einer vorübergehenden Antwort, die so radikal ist, daß sie viele zunächst ratlos zurückläßt.

Nun, das Böse ist immer das, auf das der Mensch es projiziert. Lassen wir diese mögliche Antwort, auch wenn sie nicht in ihrem vollen Umfang verstanden wird, einfach mal so stehen. Und beginnen wir mit einem kleinen Ausflug in die Zeit, um zu verstehen, wie sich das Verständnis des Bösen in unserer Kultur entwickelt hat.

Wie immer, wenn es um dieses Thema geht, müssen wir die Bibel zur Hand nehmen. Es gibt im Alten Testament Stellen, in denen das Böse noch nicht von Gott getrennt war. Ich möchte ein Zitat vorlesen von Jesaja 45, 7: „ Ich bin der Herr und sonst keiner mehr, der ich das Licht mache und schaffe die Finsternis, der ich Frieden gebe und schaffe Unheil. Ich bin der Herr, der dies alles tut.“ Ein eindeutiges Zitat aus dem Alten Testament. Dann habe ich ein zweites Zitat aus dem Alten Testament ausgewählt, in dem der Satan und Gott zwar schon als zwei Personen auftreten, aber als Verbündete und gute Bekannte. „ Es begab sich eines Tages, da die Gottessöhne kamen und vor den Herrn traten, kam auch der Satan unter ihnen. Der Herr aber sprach zu dem Satan: „Wo kommst du her?“ Der Satan antwortete dem Herrn und sprach: „Ich habe die Erde hin und her durchzogen.“ Und der Herr sprach zum Satan: „ Hast du Acht gehabt auf meinen Knecht Hiob? Denn es ist seinesgleichen nicht auf Erden, fromm und rechtschaffen, gottesfürchtig und meidet das Böse.“ Der Satan antwortete dem Herrn und sprach: „ Meinst du wirklich, daß Hiob Gott umsonst fürchtet? Hast du doch ihn, sein Haus und alles, was er hat, ringsumher geschützt. Du hast das Werk seiner Hände gesegnet und sein Besitz hat sich ausgebreitet im Lande. Aber strecke deine Hand aus und taste alles an, was er hat. Was gilt´s, er wird dir ins Gesicht, ins Angesicht absagen.“ Da sprach der Herr zum Satan: „Siehe, alles was er hat, sei in deiner Hand. Nur an ihn selbst lege deine Hand nicht.“ Da ging der Satan hinaus von dem Herrn.

Dies sind zwei Beispiele aus dem Alten Testament, in denen sich das Verständnis zeigt, daß Gott, oder sagen wir einfach nur, daß Gute und das Böse, aus einer Quelle stammen. Oder, daß Gott und Satan zwei Verbündete sind, die den Menschen auf verschiedene Art und Weise das Gleiche lehren. Nun ist es so, daß der denkende Geist, der sich im Laufe der Evolution des Menschen immer weiter aufgespalten, was bedeutet immer mehr abgespalten hat, so daß dieser logisch denkende Verstand des Menschen es immer wieder unmöglich fand, in seiner eigenen Wirklichkeit zu erkennen, daß Gut und Böse eins sind. Und so hat er immer wieder versucht, dieses in seinem eigenen Verstand auftretende Problem mit seinen Mitteln zu lösen.

Theologen aller Zeiten standen vor dieser Frage, vor dieser quälenden Frage, die zum Beispiel ein Suchender dem Heiligen Antonius im vierten Jahrhundert stellte, nämlich: „Sag mir, ob Gott die Ursache des Bösen ist.“ Und so wurde immer wieder versucht, die Allmacht und die alles umfassende Liebe Gottes vor dem Bösen zu schützen. Das ist die Absicht gewesen in den Religionsbewegungen, die noch heute auf unsere heutige Sicht, unsere christlich geprägte Sicht auf das Böse, wirken und die begannen einen grundlegenden, einen fundamentalen Dualismus zwischen dem Guten und dem Bösen zu lehren. Das heißt, sie lehrten, daß die Welt nicht aus einer Quelle stammt, sondern aus zweien. Die älteste, machtvolle Religionsbewegung, die einen großen Einfluß über Jahrhunderte oder sogar Jahrtausende hatte, die den reinen Dualismus lehrte, war die Religion des iranischen Propheten Zaratustra. Er lebte ungefähr 1200 vor Christi Geburt in Persien, dem heutigen Iran. Ein iranischer Prophet, der in seiner Lehre den ersten Teufel der Religionen hervorbrachte, der jemals belegt wurde, und das war Ariman, ein Wesen, das durch und durch zerstörerisch und von boshafte Natur war. Es ist die erste belegte Religion, die das absolut Böse lehrte - als ein absolutes Prinzip, das dem Guten gleichwertig gegenüber stand.

Gehen wir viele, viele Jahrhunderte weiter vor und wir finden uns im dritten Jahrhundert nach Christi Geburt wieder in Persien. Dort gab es einen Religionsstifter namens Mani, der die Sekte der Manichäer gründete, eine Sekte, die über viele Jahrhunderte großen Einfluß auf die Entwicklung des Verständnisses des Bösen im Christentum hatte. Auch hier finden wir einen Grunddualismus zwischen dem Guten und dem Bösen als zwei ewige Prinzipien, wobei der Geist des Lichtes der Finsternis der Materie gegenüber stand.

Und Augustinus, einer der vier Kirchenväter, die in den ersten Jahrhunderten nach Christi Geburt lebten, und so die ersten prägenden Theologen waren, war selbst eine Zeit lang Manichäer und Anhänger dieses extremen Dualismus. Ich habe ein Zitat ausgewählt. Jesus geht zu Adam und sagt ihm die Wahrheit. Adams Körper ist böser, von Dämonen erfundener Betrug. Er muß daher versuchen, seine Seele für die Welt des Lichtes zu retten. Adam, Eva und ihre Nachkommen können nur dann gerettet werden, wenn sie diese Botschaft erkennen und ihre Seelen von ihren Ekel erregenden Kerkern befreien. Am Ende der Zeit, nach einem großen letzten Krieg, wird dann der Geist von der Materie befreit werden. Wir finden hier zum ersten Mal sehr deutlich die Gleichsetzung des Bösen mit der materiellen Welt und somit auch des Körpers. Diese Körperfeindlichkeit, dieser Geschmack von Körperfeindlichkeit hat sich, wie wir alle wissen, über die Jahrhunderte durch das Christentum hindurchgezogen und lebt bis heute. Beispielsweise dadurch, daß es katholischen Priestern verboten ist zu heiraten. Es ist gerade ein ganz interessantes Buch erschienen über Kinder von katholischen Priestern und ihre Identität. Kinder, die nicht sein dürfen. Das letzte Beispiel dieser Religion des iranischen Propeten Mani lebte im Europa des Mittelalters wieder auf und fand eine ungeheure Verbreitung. Es waren die Katarer, die sich in Frankreich, Italien, auch in Deutschland ausbreiteten und sich die guten, die besseren Christen nannten. Das Katarertum verkörperte die quälende Sehnsucht in einer hoffnungslos zerstörten Welt, in eine wunderbare und vollkommene Welt des Jenseits einzugehen. Das Diesseits auf Erden, die materielle Welt, war in ihrem Verständnis Satans Werk, und der Friede, wirklicher, vollkommener Friede somit nur im Jenseits zu finden. Somit war das körperliche Leben auf Erden in ihrem Verständnis nichts anderes als ein Warten, eine Vorbereitung auf die Erlösung im Jenseits.

Wir wissen, daß auch diese Idee, in abgeschwächter Form, im christlichen Kollektiv bis heute ihre Wirkung tut. Ihre Verachtung des menschlichen Daseins ging so weit, daß sie selbst den Mensch gewordenen Jesus Christus lediglich als eine Erscheinung, als eine geistige Erscheinung betrachteten und nicht als einen Menschen, der jemals in Fleisch und Blut gelebt hat. Satan war der Schöpfer der Körperwelt, während der wahre Gott ausschließlich reinen Geist erschuf.

Das waren jetzt drei prägende Beispiele, die im christlichen Kollektiv ihre Wirkung hinterlassen haben und bis heute ihre Wirkung tun. Nun, ich begann damit, die Frage nach dem Bösen zu beantworten mit der Aussage: „Das Böse ist das, auf das der Mensch es projiziert.“ Von dem Moment an, in dem sich der Mensch getrennt fühlte, hatte er scheinbar im Außen, nämlich in dem, von dem er getrennt war, einen Feind. Und so ist der Mensch seit Anbeginn seiner Geschichte, seit dem Sündenfall, wie er in der Genesis dargestellt wird, auf der Suche nach dem Feind. So beginnt seine Suche nach dem Bösen. Wir wissen: das Ich hat zwangsläufig eine persönliche Sicht der Dinge. Es hat eine persönliche Sicht des Lebens, es hat eine persönliche Sicht der Welt. Folglich muss es auch eine persönliche Sicht des Bösen haben. Was liegt also näher, als den Teufel zu erfinden, als eine Gestalt in halbwegs menschlicher Form, auf die er das Böse, dessen Natur er nicht kennt, projizieren kann.

Womit wird dieser Teufel, den er geschaffen hat, zunächst ausgestattet sein? Er wird ausgestattet sein mit den niedersten Qualitäten, die ihm zugänglich sind. Was ist das? Nun, es ist seine eigene animalische Seele. So erschien der Teufel - ich spreche jetzt im Wesentlichen während des gesamten Vortrages von der christlichen Tradition und dem christlichen Kollektiv - immer wieder in verschiedenen Tiergestalten oder auch in Gestalten, die halb Tier, halb Mensch waren. Und ich möchte zwei Zitate vorlesen von Beschreibungen des Teufels.

Die erste Beschreibung des Teufels ist aus einer Schrift des Bischofs von Alexandria aus dem Jahre 360 nach Christi: „Seine Augen sind wie des Frührots Wimpern. Aus seinem Maul fahren brennende Fackeln, feurige Funken schießen hervor. Rauch dampft aus seinen Nüstern wie aus kochendem heißem Topf. Sein Atem entflammt glühende Kohlen, eine Flamme schlägt aus seinem Maul hervor.“

Die zweite, etwas längere Beschreibung des Satans stammt aus dem 11. Jahrhundert aus einer Schrift Namens „Pundals Vision“: „Denn dieses wilde Tier war schwarz wie ein Rabe, hatte das Aussehen eines menschlichen Körpers vom Kopf bis zur Zehe, außer dass es einen Schwanz und viele Hände hatte. Ja, das schreckliche Ungeheuer hatte tausende Hände. Jede hundert Ellen lang und zehn Ellen dick. Jede Hand hatte zwanzig Finger. Jede war hundert Spannen lang und zehn Spannen breit. Mit Fingernägeln, die länger als Ritterschwerter waren, und fast gleich langen Zehennägeln. Das Tier hatte auch einen langen, dicken Schnabel und einen langen, scharfen, mit Dornen versehenen Schwanz, der die verdammten Seelen verletzte. Dieses schreckliche Wesen lag ausgestreckt auf einem Eisengitter über glühenden Kohlen, umfächelt von einer ganzen Schar von Dämonen. Dieser Feind der menschlichen Rasse war an all seinen Gliedern und Gelenken mit brennenden dicken Eisen- und Bronzeketten gefesselt. Und jedes Mal wenn er ausatmete, spie er die Seelen der Verdammten aus und zerstreute sie in der ganzen Hölle. Und wenn er einatmete, sog er wieder all die Seelen ein. Und wenn sie in den Schwefeldampf seines Mauls gefallen waren, zerkaute er sie. Dieses wilde Tier hieß Luzifer. Und es ist das erste Geschöpf, das Gott gemacht hat.“

Ja, das sind Beschreibungen des Teufels, die aus der Sicht des aufgeklärten, heutigen, modernen Menschen eher zum Schmunzeln anregen, als dass sie wirklich Aufschluss über Wirkung oder gar das Wesen des Bösen geben. Aber wir wissen, dass in der Zeit, in der die Menschheit, die westliche Gesellschaft noch viel stärker vom Aberglauben geprägt und geleitet war, diese Vorstellungen eine große Macht besaßen, und zu Grausamkeiten, zu Folterungen, zu Exzessen geführt haben. Das Mittelalter, welches auch das dunkle Zeitalter genannt wurde, war eine Zeit, in der das Böse die Seelen der westlichen, der europäischen Gesellschaft sehr stark beherrschte. Heute hat sich die Erscheinungsform des Bösen sehr stark gewandelt. Die Aufklärung hat aufgeräumt mit dem magischen Verständnis des Bösen, und hat den Menschen sehr viel Erleichterung gebracht. Ob die Aufklärung die Wirkung des Bösen wirklich gehemmt oder gar aufgehoben hat, ist eine Frage, die ich in diesem Moment noch offen lassen möchte.

Auszug aus dem Vortrag "Das Wesen des Bösen" von OM C. Parkin, 05. April 2004 in Hamburg
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